Die langsame Entdeckung der Nordbastion - Aus dem Tagebuch einer Schubkarre

von Johannes Menze

Langweilig in der Gegend rumstehen, ist nicht mein Ding. Deswegen freue ich mich seit vielen Jahren auf Labora, da komme ich an die frische Luft und komme viel rum. In den langen Winternächten erzählen wir Schubkarrenkumpels uns unsere Reiseberichte. 

Ich gehöre noch zum alten Schlag: Fast alles besteht bei mir aus schweren Eisen, habe schon ein gutes Fassungsvermögen. Aber was mich sexy macht sind meine prallen Reifen. So kann ich lustig die drei Treppenstufen zum Gewölbe herunter hüpfen, wo eigenartigerweise Benjamin, der Schmied, über Zement und Kies herrscht. Sexy zu sein ist wichtig, weil wir einen Anschubser brauchen, um in Bewegung zu kommen.

Meiner liest erst einmal „Portland-kompo-sitz-ement“. Der Schmied weiß auch nicht so recht, in welchen Verhältnissen der beste Beton anzurühren sei. Ungeduldig rutsche ich auf meinen Stützen. Ich will raus, Abenteuer erleben. „Den Kies findste in der Ecke hinterm Kicker“, meint Benjamin abschließend und widmet sich wieder dem Schweißen des Absperrgitters. 

Mit gleich vier Leuten wuchten die Menschen den Kicker zur Seite und dann häufelt mein Anschieber ein paar Schüppchen Kies. Unfassbar, da wäre noch weit mehr in mich reingegangen und gerade Kies kann man nicht genug haben. Aber seis drum, jetzt trennen mich nur noch drei Stufen vom lichten Burghof. Der Anschieber überlegt kurz, dann legt er eine Bohle über die Treppe und nimmt Anlauf. Im Laufe des Vormittags ist die optimale Bohle geklaut worden und die Planken werden schmaler und brüchiger. Der Aufstieg klappt mit Mühe und Not. 

Die nächste Strecke den Burghof runter, durch die beiden Burgtore ist Ponyhof. Ich schleife den Anschieber hinter mir her, dass der kaum mit kommt. Sehr schön, auch die Kurven sind weitläufig und pippifax.

Das nächste Highlight ist die enge Rechts-Links-Kombination der örtlichen Landstraße. In der Mitte stehen zwei Achtungsschilder „Bauarbeiten!“ und „Tempo 30!“ Natürlich kommt es so, wie es kommen muss. Wir stehen mitten auf der Straße, als ein Kaaskopp volles Pfund den Berg runtergekachelt kommt. Mit Mühe und Not gelingt es in letzter Sekunde, mittels eines Holzstückchens den Rinnstein und scharf kantigen Bordstein zu überwinden. Sehr elegant nimmt der Anschieber das Brettchen mit dem rechten Fuß mit, gerät aber in die Schieflage und kippt etwas Kies in die Landschaft. 

Schließlich folgt die Königstappe: der Anstieg. Der Schotterweg bietet links einen hübschen Ausblick auf Neuerburg, ist aber zu eng zum Kurven in Serpentinen, was die Steilheit reduziert hätte. Leise vor sich hin fluchend, wenn mein Reifen von einer Astwurzel oder einem dicken Stein abrupt im Schwung abgebremst wurde. Die Steilheit nimmt an Dramatik zu, der Weg spitzt sich zu, das Fluchen wird ausgeprägter und ausführlicher. Es geht zu wie bei der Springbach-Prozession: Astgabel – Stopp – zwei Schritte zurück, als Anlauf und Wupps über die Hürde.

Die letzte Etappe erweist sich als leicht hügelig, aber die Gefahr auf der Mulchroute lauert von den Teufelsbalken, die mich seitlich rammen. Dann wird der ganze Kies in den Kübel gekippt, was mich, vor allem aber den Anschubser, durchaus erleichtert. Das ganze Unternehmen zieht sich über den gesamten Vormittag. Der Sand wird dem Kinderspielplatz vom Burgnachwuchs entzogen. Wasser gibt’s vom Klo über eine flugs installierte Solarwasserleitung. Dachte ich der Job wäre getan, aber dann nutzt mich die Betonierbrigade als Mischmaschinenbehälterersatz.

Aber das war noch nicht das Niederträchtigste, was ich am heutigen Tage ertragen musste. Statt Kies transportierte ich abends Mulch und Mulch und Mulch. Eine saudreckige Angelegenheit. Und zwar voll auf dem Steilstrecke und die Talfahrt als Leerfuhrer. Die Anschubser waren diesmal jugendlichen Gemüts und hatten den Frevel begangen, sich die Sternewelt anzuschauen, dabei den Rücken an Matratzen abzustützen und einzuschlummern, bis der große Regen kam. Die Strafe folgte auf dem Fuße. Mulch und Mulch und Mulch. 

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